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UPC-Updates | 2. Februar 2022

Fahrplan und Vorbereitungen für das EU-Einheitspatent und EU-Patentgerichtssystem

Wie bereits früher berichtet ist nach der Ratifizierung in Deutschland der Weg frei zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (EU-Einheitspatent) und zum einheitlichen Patentgericht (EPG, Unified Patent Court, UPC). Infolge der am 18. Januar 2022 erfolgten Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde durch Österreich ist nun die „vorläufige Anwendung des EPG/UPC“ in Kraft getreten. Es müssen nur noch die Vorarbeiten zum Errichten des Gerichtssystems in den nächsten Monaten abgeschlossen werden. Das Vorbereitungskomitee geht von einem Zeitbedarf von mindestens 8 Monaten aus. Ist ein wirksames Arbeiten des EPG/UPC sichergestellt wird Deutschland als letztem formalen Akt seine Ratifizierungsurkunde hinterlegen, was automatisch den Startpunkt auslöst: zu Beginn des vierten Folgemonats, d.h. voraussichtlich gegen Ende 2022 oder Anfang 2023, werden nach langer Wartezeit endlich Einheitspatent und EPG/UPC Wirklichkeit werden.

Was bedeutet das für Patentanmelder und Patentinhaber europäischer Patente?
Nachfolgend einige Punkte, zu denen bereits jetzt vor Inkrafttreten Überlegungen angestellt werden sollten:

(1) Wahl zwischen dem neuen Einheitspatent und dem klassischen EP-Patent
Auch wenn die Wahloption grundsätzlich erst nach Inkrafttreten ausgeübt werden kann: durch geeignete verfahrensleitende Maßnahmen könnte diese Wahlfreiheit noch für derzeit beim EPA anhängige EP-Anmeldungen genutzt werden, selbst wenn die Erteilungsphase bereits relativ weit fortgeschritten ist.
In einer aktuellen Mitteilung des Europäischen Patentamts werden amtliche Maßnahmen angekündigt – ohne momentan Details zu nennen – um kurz vor der Erteilung stehenden Patentanmeldungen noch die Chance zum Einheitspatent zu eröffnen. Als Zäsur zur Anwendbarkeit dieser angekündigten Maßnahmen gilt die Mitteilung über die zur Erteilung vorgesehene Fassung der Patentanmeldung (die sogenannte „Regel 71(3)-Mitteilung“).

Falls Sie die Wahlmöglichkeit für Anmeldungen aufrechterhalten möchten, obgleich bereits eine Regel 71(3)-Mitteilung ergangen ist, kommen unter Umständen eigene verfahrensleitende Schritte in Betracht. D.h. um in dieser Situation Zeit zu gewinnen könnten beispielsweise am Ende der regulären 4-Monatsfrist geringe formelle Änderungen am vorgesehenen Text beantragt werden, um dadurch eine zweite 71(3)-Mitteilung auszulösen. Alternativ oder zusätzlich ist auch nach dem bewussten Verstreichen lassen der Frist zur Erledigung der (ggf. zweiten) Regel 71(3)-Mitteilung eine Fortsetzung der Anmeldung möglich: nach Erhalt einer Rechtsverlustmitteilung müsste dann die Weiterbehandlung (mit einer Amtsgebühr von 265,00 EUR) beantragt werden.

(2) Wahlentscheidung je nach Art und Anzahl der gewünschten Länder
Nach Inkrafttreten des Einheitspatentgesetzes muss der Anmelder spätestens einen Monat nach Erhalt des EPA-Erteilungsbeschlusses entscheiden, ob wie bisher EP-Validierungen in einzelnen Ländern erfolgen sollen oder ob das neue EU-Einheitspatent angestrebt wird. Das neue EU-Einheitspatent würde mit einem Schlag Patentschutz über das gesamte Territorium der teilnehmenden EU-Länder ermöglichen, wozu derzeit folgende 17 Länder gehören: Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal, Slowenien und Schweden. Zeitnah werden weitere hinzukommen, denn 8 Länder brauchen nur noch zu ratifizieren (Tschechien, Griechenland, Irland, Polen, Rumänien, Slowakei, Ungarn, Zypern). Soll Schutz für weitere, nicht teilnehmende Länder erreicht werden – darunter Nicht-EU-Staaten des EPÜ wie Großbritannien oder Schweiz – müssten dort entsprechend zusätzliche nationale Validierungen nach dem „alten“ Muster erfolgen.

(3) Wahl der (Nicht-)Anwendbarkeit des UPC (Opt-in/Opt-out)
Drei Monate vor Inkrafttreten von Einheitspatent und UPC beginnt die sog. „Sunrise“-Periode. Ab diesem Zeitpunkt kann der Anmelder/Patentinhaber durch ein „Opt-out“ die Nichtanwendbarkeit des EPG-/UPC-Systems für ein oder mehrere oder gar alle seiner bestehenden und künftigen klassischen EP-Patente beantragen. Im Opt-Out-Zustand bleiben dann – während einer Übergangszeit von 7 Jahren – wie bisher einzelne nationale Gerichte bei Klagen zu Patentverletzung und Rechtsbeständigkeit im jeweiligen Land zuständig. Gründe zur Wahl des Opt-Out bestehen beispielsweise darin, dem Patent nicht dem Risiko einer zentralen Nichtigerklärung durch ein einziges Nichtigkeitsverfahren auszusetzen; ferner könnten im Opt-Out-Zustand zunächst die Entwicklung und die Praxis und Rechtsprechung im neuen UPC-System beobachtet werden; ist eine ausreichende Rechtssicherheit gegeben kann der Patentinhaber dann künftig infolge einer Opt-In-Erklärung die UPC-Anwendbarkeit wieder ermöglichen.

(4) Wahl eines kompetenten EPG/UPC-Gerichtsstandorts bei Patentverletzungen
Aufgrund ihrer Erfahrung werden die deutschen Gerichtsstandorte Düsseldorf, München, Mannheim und Hamburg auch im EPG/UPC-System eine wichtige Rolle einnehmen. Der Gerichtsstandort Deutschland könnte dadurch noch gestärkt werden, dass das zentrale UPC-Gericht München nicht nur wie ursprünglich festgelegt für das Gebiet der Mechanik zuständig ist, sondern zusätzlich die technischen Gebiete der Chemie, Arzneimittel und Täglicher Lebensbedarf (inkl. Gesundheitswesen) zugesprochen bekommt; dieser Bereich war ursprünglich für London vorgesehen, steht nun aber infolge des Brexit zur Disposition.
Liegt kein Opt-Out vor werden die Entscheidungen des UPC-Gerichts in allen Ländern unmittelbar wirksam, in denen das EP-Patent existiert.

Bei Fragen hierzu steht Ihnen unser Team sehr gerne zur Verfügung. Dr. Andreas Oser, LL.M. (office@pruefer.eu)